Nach Hause kommen: die Beute sichten


Ausrüstung gekauft oder ergänzt. Akkreditierung besorgt. Nett zu den Kollegen gewesen. Kamera eingestellt. Jede Menge Fotos gemacht. Und jetzt?! Sind die tollen Bilder schon fertig?!

Schlechte Nachrichten: noch lange nicht!

Wenn Ihr von einem Konzert zurück kommt, werdet Ihr so richtig viele Fotos gemacht haben. Der überwiegende Teil dieser Bilder wird Ausschuss sein. Zumindest ist das bei mir so und ich wage zu behaupten, dass das allen anderen Kollegen genauso geht. Die Bilder müssen übertragen, sortiert und nachbearbeitet werden…

Einschub: Tausende Bilder?! Ich gebe offen zu, dass ich an den „Zweifelsfall“ glaube: Im Zweifelsfall mache ich lieber ein, zwei, drei Fotos mehr. Vielleicht variiere ich Belichtungszeit und/oder Blende, vielleicht traue ich dem Autofokus nicht oder verändere den Bildschnitt ein wenig. Wie auch immer, ein Bild zuviel ist deutlich besser als eines zu wenig. Es soll Fotografen geben, die ernsthaft behaupten, sie machten das eine Bild, eine Aufnahme einer Situation. Ich glaube diesen Menschen nicht.

Um es klar zu sagen: ich halte gar nichts davon, wild reinzuhalten (und habe das deutlich formuliert), sondern plädiere dafür, überlegt Serien aufzunehmen.

Nachdem Ihr also daheim angekommen seid, führt Euch Euer erster Weg zum Rechner um die Speicherkarten auszulesen. Schiebt es nicht auf und kommt auf gar keinen Fall auf die Idee, einfach mal Fünfe gerade sein und zwei, drei Shootings auf die Karte zu machen. Das führt ohne Umweg direkt ins Chaos der Sortierhölle! Bei der Gelegenheit könnt Ihr auch gleich die Akkus ins Ladegerät stecken. Generell solltet Ihr nach jedem Shooting die Ausrüstung wieder in einen Zustand bringen, der es Euch erlaubt, einfach das Zeug zu schnappen und loszulegen.

20140320-201145-ASP Losheim

Einschub: Gedanken zur Organisation A pro pos Sortierhölle: Ihr wollt Euch ein sinnvolles Schema ausdenken nachdem Ihr Eure Bilder ablegt und archiviert. Wenn Ihr mehr und mehr Konzerte (oder andere Shootings) hinter Euch habt und nach einem Foto aus längst vergangenen Tagen sucht, werdet Ihr ein gut organisiertes Archiv zu schätzen wissen. Ich organisiere meine Fotos in Ordnern, die folgendermaßen benannt sind: JJJJ-MM-TT + sprechender Name. Beispiel: „2013-03-20 ASP Eisenbahnhalle Losheim“ Die Bilder selbst werden genauso benannt, die Aufnahmezeit dient hier zur Unterscheidung – Namenschema JJJJ-MM-TT_HH-MM-SS + Name.

Mein Archivserver ist so organisiert, dass es für jedes Jahr einen Ordner gibt, der wiederum Ordner für die Monate enthält. Da drin stecken dann die Ordner der einzelnen Shootings. Das erleichtert das Auffinden von Bildern ungemein. Es hilft auch, passende Schlagworte („Tags“) zu vergeben – nehmt mindestens Bandname und die Location da rein!

Wenn Ihr also die Karten ausgelesen habt und die Akkus im Ladegerät sind  könnt Ihr Euch eine Pause gönnen, die Software Eurer Wahl (ich empfehle Lightroom fürs Grobe) wird höchstwahrscheinlich ein wenig Zeit brauchen, um alle Vorschauen zu rendern. Wenn es nicht absolut eilig ist, gönnt Euch ein wenig Erholung und Abstand, dann wird die Sortierschlacht, die unausweichlich bevor steht, einfacher.

Prinzipiell ist es so, dass Ihr nur die wirklich guten Fotos behalten und zeigen solltet. Genauer: niemand, wirklich niemand(!), interessiert sich für ein Duzend oder gar (mehrere?!) hundert langweilige, vielleicht sogar schon technisch misslungene Fotos eines Events. Und selbst wenn unter dem ganzen bestenfalls mittelmäßigen Bilder, das eine Foto ist, wird es niemandem auffallen. Sortiert hart! Behaltet nur die guten und zeigt nur die besten Bilder! Nebenbei bemerkt schafft Ihr Euch so auch den Ruf, ein guter Fotograf – und nicht nur ein Knipser – zu sein.

Wie immer erzähle ich von meiner Art zu arbeiten, wer anders vorgeht, ist herzlich eingeladen, sich mit Vorschlägen einzubringen!

Beim Import nehme ich (bei Konzertfotos) noch keine Entwicklungseinstellungen vor, meiner Erfahrung nach liegen die Automatiken viel zu häufig daneben und nehmen an den Fotos (Farb- und Belichtungs-) Einstellungen vor, die gerne mal ein durchaus gutes Foto komplett untauglich aussehen lassen. Da sehe ich dann lieber eine „unverfälschte“ Vorschau und kann abschätzen, ob in den Daten genug Potential steckt, um das Bild zu bearbeiten.

20130924-201840-Heidenfest

Aus Gründen, die ich selbst nicht mehr nachvollziehen kann, gebe ich beim Import nach Lightroom allen Bildern eine Wertung von zwei Sternen. Der erste Sortierdurchgang findet in der Übersicht des Bibliotheksmoduls mit aktiviertem Filter „2 Sterne oder mehr“ statt. Es werden alle Fotos aussortiert – also mit einem Stern gekennzeichnet – die in dieser Ansicht erkennbar misslungen sind. Unscharfe, verwackelte oder sonst wie unbrauchbare Bilder fliegen ohne weiteres Nachdenken raus.

Anmerkung: Ihr habt in RAW fotografiert. Habt das beim Sortieren im Hinterkopf! In den Daten steckt sehr viel Potential. Mit der Zeit bekommt Ihr auch einen Riecher dafür, welches Foto „zu retten“ ist und welches ohne Umweg wegsortiert werden kann. (Denn manchmal ist es echt schmerzhaft, eine tolle Pose eingefangen zu haben und das Bild an eine schlechte Belichtung oder einen Farbfehler zu verlieren.)

Das sollte den Bilderdschungel schon ordentlich lichten. Der nächste Sortierschritt erfolgt in der „Lupenansicht“, die je ein Foto bildschirmfüllend anzeigt. Dabei gehe ich recht zügig durch die Bilder durch und markiere diejenigen mit drei Sternen, die mir spontan gefallen. Danach mache ich eine Pause. Mindestens einen Kaffee lang. Ich brauche diese Pause um Betriebsblindheit zu vermeiden.

Im hoffentlich letzten Durchgang setze ich mir den Filter so, dass mir nur noch die 3-Sterne oder besseren Bilder angezeigt werden. Jetzt lasse ich die Bilder auf mich wirken, springe auch mal hin und her, um die wirklich guten Fotos zu finden. Es sollten maximal 30 (an wirklich guten Tagen auch mal 40) Fotos übrig bleiben, die mir gut genug erscheinen und für eine Veröffentlichung prinzipiell in Frage kommen.

Wenn mehr Fotos übrig bleiben, habe ich nicht hart genug sortiert. Dann gehe ich noch mal drüber und achte auf doppelte oder ähnliche Posen und auch darauf, ob ich den ein oder anderen Musiker nicht schlichtweg zu oft abgelichtet habe…

Was jetzt übrig bleibt, wird bearbeitet und hat eine Chance, später auch tatsächlich gezeigt zu werden – denn bei der Bearbeitung wird das ein oder andere Foto auch noch einmal rausfliegen.

Das soll jetzt erst mal reichen. Lightroom und ein paar Gedanken zur Nachbearbeitung kommen demnächst.

tl;dr (hey, das war diesmal wirklich kurz, menno!)

  • Speicherkarten sofort nach jedem Shooting auslesen!
  • Organisation ist wichtig!
  • Sortiert.
  • Sortiert noch mal.
  • Sortiert hart!
  • Zeigt nur die besten Fotos.

Wie geht Ihr vor? Wie sortiert und organisiert ihr? Lasst es mich wissen!

Edit (mit Dank an Jens Arndt für den Hinweis): Ein sehenswertes Video das so ziemlich alles hier zusammenfasst gibt es hier.