Schmerzfrei


Tobi hat mich vor einiger Zeit zur Straßenfotografie gebracht. Man findet, wenn man mit offenen Augen und schussbereiter Kamera durch die Welt geht erstaunlich viele Geschichten, Miniaturen oder Situationen, die festzuhalten und anzuschauen es Wert sind. Das reizt mich ungemein.

Das wesentliche Merkmal der Straßenfotografie ist, dass man Momente einfängt, die so nicht wiederkommen, die spontan sind. Es gilt also, vorbereitet und aufmerksam zu sein, Situationen zu erahnen um dann im richtigen Moment das Bild zu machen. Wichtig ist auch, dass man halbwegs unauffällig bleibt, so dass man die spontane Szene nicht schon alleine durch seine Anwesenheit zerstört oder verfälscht.

Gerade am Anfang hatte ich richtiggehend Angst, dass meine „Opfer“ mich beim Fotografieren erwischen. Zuerst habe ich geübt, ohne durch den Sucher zu schauen zu fotografieren. Dann habe ich mir eine Olympus PL-1 Systemkamera gegönnt, die eine respektable Bildqualität und Wechselobjektive mit dem sucherlosen Konzept einer Kompaktkamera verbindet. Beide Lösungsansätze habe ich letztendlich wieder verworfen.

Obwohl ich mittlerweile eine recht gute Trefferquote aufweisen kann wenn ich „blind“ fotografiere, habe ich einige schöne Situationen schlichtweg verrissen, verfehlt oder sonst wie nicht so auf die Karte bekommen, wie ich es gerne gehabt hätte. Die PL-1 ist eine schöne Kamera, die auch gute Bilder liefert, aber für meine ganz persönliche Art auf der Straße zu fotografieren erscheint sie mir doch nicht passend. Der Autofokus ist mit dem Kit-Objektiv deutlich zu langsam, es kommt in Grenzsituationen zu wenig Licht auf den Sensor und leider liegt der Fokus auch sehr gerne mal auf dem falschen Objekt… schade eigentlich, denn in allen anderen Freizeitsituationen schlägt sich das Gerät hervorragend. Mit einem guten Objektiv sähe das bestimmt anders aus, aber irgendwie bin ich dafür (noch?) zu geizig.

Letztendlich habe ich mich nach einem tiefen Durchatmen entschlossen, die ganze Sache etwas anders anzugehen. Ich fotografiere einfach.

Wenn ich eine fotografierenswerte Szene sehe, nehme ich die Kamera hoch und mache das Bild. So einfach ist das. Werde ich bemerkt, bedanke ich mich höflich, zeige das Bild und erkläre, mein Tun. Werde ich nicht bemerkt, checke ich kurz das Bild und wenn es gut und die Person klar erkennbar ist, spreche ich mein Modell (in den meisten Fällen) ebenfalls an. Dabei habe ich noch niemals negative Erfahrungen gemacht. Manche wundern sich, andere freuen sich, dass sie fotografiert wurden – aber mir wurde noch nie der Kopf herunter gerissen. Im Gegenteil! Es haben sich einige sehr nette Gespräche ergeben und bisher durfte ich jedes so entstandene Bild verwenden. Es gibt keinen Grund, ein Foto nicht zu machen! Und ganz bestimmt gibt es keinen Grund sich davor zu fürchten, zur Kamera zu greifen!

Im Vorfeld muss man natürlich immer noch unauffällig sein. Das bedeutet nicht, dass man durch die Gegend schleicht oder sich in dunkle Ecken drückt – das ist eher kontraproduktiv. Unauffällige Kleidung und ein harmlos wirkendes Objektiv (mein 50er ist da nahezu ideal!) reichen. Ich trage die Kamera an einem Q-Strap unauffällig an der Seite und bewege mich mit dem Strom der Passanten mit. Am meisten Spaß macht das, wenn man zu zweit oder zu dritt gemütlich plaudernd seine Runden dreht.

Auf diese Art habe ich einige wirklich bemerkenswerte Fotos zusammen bekommen und ich hoffe darauf, dass es stetig mehr werden. Die kleinen Geschichten sind da irgendwo; ich will sie finden und mit Euch teilen.


3 Antworten zu „Schmerzfrei“

  1. […] über Streetfotografie. Wer übrigens Jan’s Gedanken zu dem Thema lesen möchte, kann das hier tun (hm, du warst schneller, alter Mann […]

  2. […] mich der Straßenfotografievirus gepackt hat, habe ich ja schon mal erzählt. Leider komme ich nicht so oft, wie ich es gerne täte dazu, raus und jagen zu gehen. […]

  3. […] über Streetfotografie. Wer übrigens Jan’s Gedanken zu dem Thema lesen möchte, kann das hier tun (hm, du warst schneller, alter Mann […]