Musikgenuss und Spiegelschlag


Aus verschiedensten Gründen hat es mich sehr gefreut, dass ich von Julia zu ihrem Konzert eingeladen wurde. So hatte ich dann auch jede Menge Spielzeug dabei um meinem Handwerk nachzugehen.

Das Licht war angenehm einfach und anders als bei den Konzerten, auf denen ich mich normalerweise herumtreibe, hüpften die Künstler nicht wild auf der Bühne herum, so dass ich eigentlich sehr entspannt arbeiten konnte. Ich konnte auf interessante Posen warten, den Ausschnitt in Ruhe wählen und war auch sonst nicht gezwungen, hektisch jede Sekunde meiner drei Lieder zu nutzen. (Denn – wie ich nicht müde werde zu erzählen – die „drei-Lieder-Regel“ schützt auch uns Fotografen vor zu viel Arbeit und ich versuche mich auch bei unbeschränkten Konzerten daran zu halten.) Es hätte so entspannt sein können…

Wenn ich nicht fotografiert hätte. Ganz offensichtlich war mindestens einem Konzertbesucher meine Kameras zu laut. Ich wurde mit einigem Nachdruck aufgefordert, doch jetzt endlich mal mit „dem Scheiß“ aufzuhören, andernfalls würde man mir „dabei helfen“.

Selbstverständlich bin ich Profi genug, um mich von solchen Umgangsformen nicht beeindrucken zu lassen – gleichzeitig regt mich das ein wenig zum Nachdenken an. Wie sehr stört ein Fotograf ein Konzert? Wie laut wird eine Kamera wahrgenommen?

So sehr wir Fotografen die schon oft zitierte drei-Lieder-Regel verinnerlicht haben, muss man doch davon ausgehen, dass ein Großteil des (zahlenden!) Publikums nicht weiss, dass die Typen, die da vor ihnen rumspringen, ziemlich bald wieder verschwunden sind. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf fällt es zumindest mir ein wenig leichter, den manchmal schon recht üblen Anfeindungen jenseits der Wellenbrecher mit Nachsicht zu begegnen. Andererseits würde ein wenig Nachdenken vielleicht helfen. Warum sollten wir ein komplettes Konzert im Graben verbringen? Warum sollte ein Veranstalter seine zahlenden Kunden auf diese Art verärgern wollen?

Bei den meisten Konzerten gehen die Geräusche, die eine Kamera macht, einfach unter. Bei Akustikkonzerten, Jazz oder auch Klassik sieht das schon ein wenig anders aus. Da gibt es leise Passagen, bei denen der Spiegelschlag deutlich wahrnehmbar ist. Da ist es dann an uns, unser Handwerk so auszuüben, dass von uns möglichst wenig Ablenkung ausgeht. Dann sucht man sich eben – falls möglich – die lauteren Stellen zum Auslösen aus und hält sich auch sonst ein wenig zurück. Es wird sich aber trotzdem das ein oder andere „KLACK“ unter die Musik mischen. Genauso wird jemand mal husten…

So what?! Mein Punkt ist, dass wir Fotografen uns durchaus bewusst sind, dass wir bei Konzerten in der Nahrungskette ziemlich weit unten stehen und die Aufgabe haben, möglichst nicht aufzufallen. Wir müssen uns so verhalten, dass das Publikum möglichst wenig stören. Die meisten Kollegen wissen das und verhalten sich entsprechend. An bestimmten Tagen nervt es mich dann aber schon, was ich von Publikumsseite so zu hören bekomme. Unser Job ist es, gute Bilder von einem Ereignis zu schießen, Bilder, die sich viele Besucher dann mit Freude ansehen… ein wenig mehr Verständnis für den arbeitenden Teil des Konzerts jenseits der Bühne erscheint mir ab und zu angemessen.

An dem Abend habe ich nach der überaus freundlichen Ansage übrigens gemütlich meine Bilder gemacht und dann die Stellung gewechselt. Letztlich bin ich mit weniger als 150 Rohbildern nach Hause gegangen, aufgenommen innerhalb von 30 Minuten (jup, drei Lieder!). Die meisten davon wurden von einer Empore aus aufgenommen – ich wage also zu behaupten, dass sich die Lärmbelästigung durchaus in erträglichen Grenzen hielt.

Nachtrag: Ich wurde nach den Details gefragt und ob ich mir denn nicht selbst dadurch widerspreche, dass ich meine Belästigung nicht sofort eingestellt habe. Vielleicht erzähle ich doch ein wenig mehr und vertrete meinen Standpunkt ein wenig nachdrücklicher.

Erst einmal die Situation: Ich habe jeweils etwa fünf Minuten links, in der Mitte und rechts von der Bühne verbracht. Dabei habe ich darauf geachtet, niemandem in der Aussicht zu stehen und mich kniend bewegt, also – wie ich glaube – durchaus deutlich gemacht, dass ich bemüht bin, nicht zu stören. Es ist selbstverständlich, dass Publikum immer Vorrang hat und ich also niemanden aus dem Weg schiebe oder maule, wenn mir wer im Bild steht. Ich erwarte aber auch, dass man mir ein gewisses Maß an Toleranz entgegen bringt.

Letztendlich ist es mein Job, die guten Bilder zu machen. Und einige davon gibt es halt nur direkt vor der Bühne. Darum habe ich auch nicht sofort das Feld geräumt. Da mag der Gast so cholerisch sein, wie er will, ein wenig Störung (wie gesagt, weniger als fünf Minuten) muss er halt ertragen, denn ohne geht es nicht, wenn ich meine Arbeit machen will.

Ich bin mir sehr bewusst, dass meine Arbeit eventuell als störend empfunden wird und tue mein bestes, so wenig, wie möglich zu stören. Ein gewisses Maß an Störung lässt sich manchmal eben nicht vermeiden. Wenn das nicht gewünscht ist, soll man – Veranstalter oder Künstler – es sagen, dann gibt es halt keine Fotos. So einfach ist das.


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