In den Diskussionen, die auf den letzten Artikel auf diversen Plattformen folgten, wurde angeregt, eine kleine Serie von Artikeln für Einsteiger in die Thematik Konzertfotografie zu machen. Eine Idee, die so charmant ist, dass ich nicht widerstehen kann. Ich habe wohl einen Nerv getroffen. Ein herzliches Dankeschön an alle, die sich mit Fragen, Anregungen, Kritik und auch Lob eingebracht haben. Immer weiter so – Input und Feedback helfen!
Viele erfahrene Kollegen haben angemerkt, dass ein Artikel darüber wie das Miteinander bei Konzerten und Festivals funktioniert deutlich interessanter sei als sich über Technik auszulassen. Dem schließe ich mich an – und verspreche, dass weitere Artikel folgen werden.
Aufgeregt darüber, dass es Menschen gibt, die sich im Fotograben ungeschickt verhalten, habe ich mich ja schon das ein oder andere Mal. Dann will ich jetzt auch so konsequent sein und erzählen, wie man sich und allen anderen das Leben viel angenehmer machen kann:
Los geht es bedeutend früher als man zunächst vermutet – bei Euch zuhause (denn wie immer gilt: Vorbereitung ist alles!). Druckt Eure Akkreditierungsbestätigung aus und packt sie ein. Murphy lauert an jeder Ecke! Genau dann, wenn Ihr sowieso schon ein wenig spät dran seid, wird genau die Liste auf der Euer Name steht verschollen sein… das stresst, führt zu (weiteren) Verzögerungen und je nach Situation werden auch noch die zahlenden Gäste aufgehalten.
Mir ist genau das 2008 in Andernach passiert. Meine Akkreditierung lag irgendwie nicht vor, ich hatte dummerweise meinen Ausdruck im Hotel vergessen und damals keine Möglichkeit vor Ort auf meine E-Mails zuzugreifen. Bevor das wirklich in Stress ausarten konnte, wurde ich von einem befreundeten Künstler „gerettet“ – ansonsten hätte sich das durchaus länger hinziehen können.
Wenn wir schon beim Einpacken sind… Es gibt da ein paar Gedanken, die Ihr Euch im Vorfeld machen solltet: Ihr werdet in den seltensten Fällen an der üblichen Eingangstaschenkontrolle vorbeikommen, ohne dass auch in Eure (Foto-) Tasche geschaut wird. Packt so, dass klar erkennbar ist, dass Ihr Ausrüstung dabei habt – das vermeidet Missverständnisse.
Packt das ein, was Ihr braucht. Nicht mehr. Wahrscheinlich werdet Ihr über die Zeit feststellen, dass Ihr Eure besten Bilder mit diesem Objektiv macht und für ein paar andere Situationen jenes Objektiv auch noch recht häufig zum Einsatz kommt. Belastet Ihr Eure Tasche mit zu viel Ausrüstung, führt Euch das in Versuchung, das ganze Geraffel auch im Graben irgendwie zur Hand haben zu wollen. Das führt unweigerlich zu Problemen. (Aber im Graben sind wir ja noch gar nicht angekommen…)
Edit (mit Dank an den Kollegen A. Hahl): Unauffällige, dunkle Bekleidung ist von Vorteil. Nicht zuletzt deshalb, weil man damit – wenn man mal aus Versehen ins Bild gerät – auf Fotos nicht zu stark ins Auge sticht. Verzichtet bitte auch auf große Kopfbedeckungen. Die werden schnell mal Opfer des Gedränges oder geraten den anderen unangenehm vors Objektiv.
Wenn Ihr vor Ort angekommen seid, bedenkt immer, dass Ihr zwar insoweit privilegiert seid, als dass Ihr an einige Orte kommt, an die der normale Besucher nicht kommt, das Konzert aber für die Besucher ist, die dafür Eintritt bezahlt haben. Das bedeutet dass Ihr – wenn es keinen speziellen Presseeingang gibt – wie jeder andere auch im Zweifelsfall erst mal in einer Schlange steht und durch die Eingangskontrolle durch müsst. Plant dafür ein wenig Zeit ein.
Wenn Euch die Jungs am Eingang kennen, ist das Prozedere recht entspannt – ansonsten werden Sie Euch darauf hinweisen, dass Ihr eine Akkreditierung braucht, um mit der Ausrüstung da rein zu kommen. Sie machen Ihren Job und Ihr seid in mehrerlei Hinsicht ein wenig auf den guten Willen dieser Leute angewiesen (mehr dazu später). Seid höflich.
Wenn Ihr dann Euren Fotopass abgeholt habt (falls es einen gibt), könnt Ihr Euch auf dem Weg in den Graben machen – am besten gebt Ihr Eure Tasche und alles, was Ihr nicht braucht an der Garderobe ab. Lasst es mich anders sagen: gebt die Tasche ab! Und noch deutlicher: Eure Tasche hat im Graben nichts zu suchen. Da ist es eng und eine Fototasche ist groß. Tragt Ihr sie auf dem Rücken, seid Ihr eine lebendige Grabensperre, legt Ihr sie irgendwo im Graben ab, wird irgendjemand darüber stolpern. Im besten Fall ist das ärgerlich. Schlimmer ist es, wenn dabei was von dem teuren Spielzeug kaputt geht. Im allerschlimmsten Fall verletzt sich jemand…
Was Ihr braucht, könnt Ihr „am Mann“ tragen. Was Ihr nicht am Körper tragen könnt, braucht Ihr nicht. Offen gesprochen gibt es keine effizientere Methode, sich bei den Kollegen unbeliebt zu machen, als mit Fototasche den Graben zu entern. Tut es nicht!
(Ich gebe zu, es gibt Situationen und Locations, da geht es nicht schwer anders – Festivals ohne Garderobe und Pressebereich zum Beispiel. Sucht Euch einen Ort, an dem Ihr Euer Gepäck sicher unterbringen könnt ohne dass es im Weg ist. Im Idealfall habt Ihr Begleitung, die sicherlich gerne kurz auf Euer Zeug aufpasst.)
Edit (mit Dank an die Kollegin Sarah Wolff): Tragt den Fotopass deutlich sichtbar, das macht den Securitymenschen die Arbeit im Dunkeln viel einfacher. Die meisten kann man einfach auf die Kleidung kleben. Wenn Ihr das nicht wollt (oder die Pässe für die Trophäenwand sammelt), besorgt Euch eine Einsteckhülle zum Umhängen – das habe ich schon bei vielen Kollegen gesehen.
Ihr seid am besten ein paar Minuten bevor es wirklich los geht am Eingang zum Fotograben. Da vorne ist es in der Regel ein wenig überlaufen, aber zumindest bei Metalkonzerten (damit habe ich nun mal die meiste Erfahrung) hilft höfliches Fragen und man kommt recht gut durch. Spätestens wenn die freundlichen Menschen von der Security einen Blick auf Euren Fotopass werfen, werdet Ihr die übliche Ansage bekommen „Drei Lieder, kein Blitz“. (Oder was auch immer angesagt ist.) Haltet Euch dran. Es ist mir aus persönlichen Gründen ein Bedürfnis darauf hinzuweisen, dass es eine gute Idee ist, nicht nur nicht zu blitzen (alleine schon, um nicht vorzeitig die Show verlassen zu müssen), sondern auch darauf zu verzichten, den Aufsteckblitz auf die Kamera zu setzen. Das Ding ragt nach oben und ich hatte schon mehr als einmal so ein Teil in einem Bild. Anderen das Bild zu verderben ist unhöflich.
Ihr wisst natürlich, dass man auf Konzerten niemals einen Blitz benutzen darf (und mal ganz ehrlich: damit zerschießt man sich die komplette Lichtstimmung, warum sollte man also überhaupt…), darum habt Ihr ihn gar nicht erst eingepackt oder in der Tasche gelassen und die Tasche ist ja sicher in der Garderobe oder sonst wo, nur nicht im Graben.
Aber jetzt endlich an die Arbeit! Ihr habt ein enges Zeitlimit in dem Ihr Eure Bilder machen müsst. Eure Kollegen auch. Es ist eng. Das stresst.
Selbstverständlich wollt Ihr gute Fotos aus verschiedenen Perspektiven machen. Alle anderen wollen das auch. Wenn Ihr Euch bewegt, achtet darauf, den Kollegen nicht vors Objektiv zu laufen. Sie werden das auch tun. Bewegt Euch rücksichtsvoll und wenn es geht hinter den anderen vorbei. Ihr werdet schnell merken, dass erfahrene Kollegen nicht allzu lange einen Platz besetzen, wenn Ihr also irgendwo hin wollt, werdet Ihr auch da hin kommen. Wenn Euch jemand im Weg ist, ist das aller Wahrscheinlichkeit keine Absicht. Im Zweifelsfall bittet höflich darum, vorbei (oder auch mal da hin) zu dürfen. Ein freundliches Tippen auf die Schulter funktioniert viel besser als rüdes Schubsen. (Auch wenn ich offen zugebe, dass ich das ein oder andere Mal in Versuchung war herauszufinden, wie stabil meine Bodys wirklich sind…)
Edit (mit Dank an den Kollegen Arkadiusz Goniwiecha): Die Sache mit der Rücksicht bei der Arbeit bedeutet auch, dass Ihr Eure Kamera (die meiste Zeit) bei Euch behaltet. Diese tollen Live-View-Über-Kopf-Fotos (oder Videos!) gelingen sowieso nur selten und setzen dem Rest der Mannschaft hinter Euch Eure Kamera genau vors Objektiv. (Wenn Ihr niemandem im Bild steht, ist das natürlich was anderes, bedenkt aber, dass sich die Leute im Graben auch bewegen und hinter Euch die zahlenden Gäste sind.)
Edit (noch einmal Dank an A. Hahl): Wenn Ihr in der glücklichen Position seid auf die Bühne zu dürfen: seid nett zu den Kollegen die im Graben bleiben müssen. Springt nicht während deren drei Lieder in deren Bildern herum – oder versucht es zumindest. Wer auf die Bühne darf, darf meist auch länger bleiben oder später noch mal oder oder oder… wer so gute Connections hat, findet bestimmt eine Möglichkeit.
Rücksicht ist das Zauberwort. Die Gräben, in denen ich bisher unterwegs war, waren öfters überfüllt mit Kollegen. Menschen, die genau wie ich Fotos machen wollten. Ersthafte Stutenbissigkeit habe ich da nie erfahren. Vielmehr herrscht dort immer(!) eine durchaus freundschaftliche Atmosphäre. Unmut kam immer nur dann auf, wenn sich jemand unkollegial verhalten hat.
Wenn man ein wenig darüber nachdenkt, ist es eigentlich recht einfach. Umso mehr bin ich jedes Mal ein wenig erstaunt, dass das einigen Leuten so schwer fällt. Wie kommt man auf die Idee, mitten im Geschehen gemütlich seine Bilder zu checken? Oder den Graben als Tanzfläche zu nutzen? (Beides keine gute Idee…) Es gibt noch mehr Dinge, die nach kurzer Überlegung ziemlich… asozial sind. Es läuft alles auf Herrn Kant hinaus. Es könnte so einfach sein. Macht einfach mit.
Edit (mit Dank an den Kollegen Rainer Keuenhof): Bei der Masse an teurer Ausrüstung und dem herrschenden Gedränge sind Getränke im Graben ein absolutes Tabu. Auch sollte man (einigermaßen) nüchtern sein.
Eher früher als später wird es Euch passieren, dass ein (vielleicht sehr gestresster) Mitarbeiter der Sicherheitsfirma eine harsche Ansage macht oder Euch gar einfach aus dem Weg schubst. In den allermeisten Fällen wird das einen – vielleicht nicht sofort für Euch ersichtlichen – Grund haben. Generell gilt: die Jungs und Mädels erledigen Ihren Job und sind nicht bösartig. Im Gegenteil! Wenn es darum geht, einen Besucher mit Kreislaufkollaps aus dem Gedränge zu retten oder unsereinen davor zu bewahren, von der Feuershow gebraten zu werden, sind längliche Diskussionen keine gute Idee.
Ihr seid auf ein gutes Verhältnis mit der Security angewiesen – allein schon aus dem Grund, dass Ihr verdammt teuere Ausrüstung mit Euch rum schleppt und die Euch im Zweifelsfall zur Hilfe eilen wenn mal was schief geht. (Und auch sonst kann es nicht schaden, mit den Leuten gut klar zu kommen, die wirklich überall hin kommen.) Bedenkt auch, dass der Mitarbeiter vor Ort im Zweifelsfall auch nur Ansagen „von oben“ weiter gibt. Haltet Euch an die Ansagen!
Einen weiteren Gedanken solltet Ihr allein schon deshalb im Hinterkopf haben, weil das es leichter macht, die Ruhe zu bewahren: Viele Fans wissen nichts darüber, wie das mit den Fotografen läuft und das wir nach einer recht kurzen Zeit schon wieder weg sind. Es kommt gerne mal ein wenig schlechte Stimmung auf, wenn unsereiner noch vor der ersten Publikumsreihe rumturnt und den Musikgenuss der zahlenden Besucher stört. Im Überschwang der Gefühle fällt da durchaus das ein oder andere unangebrachte Wort. Lasst das nicht an Euch heran oder Euch davon beeindrucken. Das ist es nicht wert.
Edit (mit Dank an Annekathrin Linge): Um die Perspektive zu variieren oder über die Kollegen vor einem hinwegzufotografieren drängt sich die Idee auf, sich auf die kleinen Podeste zu steigen, die an den „Wellenbrechern“, die meist die Abtrennung des Fotograbens bilden, zu steigen. Der Fotograf hat dann freies Schussfeld – und steht dabei dem Publikum in der Aussicht. Wenn man das kurz und für 2,3 Fotos mal macht, wird das sicher nur den cholerischsten Besucher aufregen… wer sich es da aber zu gemütlich macht, wird sich bald und nicht ganz zu unrecht den Unmut der hinter ihm stehenden Gäste zuziehen.
Edit (abermals Dank an Sarah Wolff): Ihr solltet keine Getränke dabei haben – die Gäste werden Getränke haben. Bedenkt das. Es besteht immer die Gefahr, dass Ihr (auch durch eigene Unachtsamkeit) was abbekommt. Manche Bands hantieren auch mit Flüssigkeiten (oder spucken gar Wasser oder Kunstblut) – das ist unschön. Es gibt Versicherungen für die Ausrüstung, die auch solche Schäden abdecken.
Am Ende der drei (oder wie vielen auch immer) Lieder, macht Schluss, die Kamera aus und genießt den Rest der Show. In vielen Fällen ist (unsereinem) das Fotografieren aus dem Publikum nicht gestattet. Auch wenn das Licht nach „unseren“ Songs immer besser ist, beweist Willensstärke! Und gönnt Euch die Musik und/oder ein Getränk zusammen mit den Kollegen.
Eigentlich ist das alles ganz einfach, kein Geheimwissen und auch überhaupt nicht schlimm. Ihr werdet merken, dass die allermeisten Kollegen verdammt nett und immer bereit sind zu helfen. (Ich erinnere mich mit Schrecken an die Canon Gurte an meinen Nikons…) Wir (und ich spreche hoffentlich für alle Kollegen, aber auf jeden Fall für jeden, der mir bei diesen Artikeln geholfen hat) freuen uns immer darauf neue, sympathische Menschen kennen zu lernen – also auf Euch!
tl;dr:
- kein Fotorucksack im Graben
- bewegt Euch rücksichtsvoll
- keine Getränke
- kein Tanzen
- seid nüchtern
- steht nicht im Weg rum
- hört auf die Ansagen der Security
Eine Antwort zu „Fotograbenknigge“
Moin,
das geht schon mal in eine gute Richtung – vielen Dank dafür. Wollte ich auch schon seit langem mal als Ergänzung zu meinem Akkri-Artikel geschrieben haben, aber jetzt brauche ich das ja nicht mehr 🙂
Vielleicht noch ein paar Ergänzungen:
– Ohrstöpsel nicht vergessen
– dunkle Klamotten sind auch nicht so schlecht
– keine ausladenden Kopfbedeckungen
– keine Getränke mit in den Graben nehmen
– Tablets und Smartphones haben im Graben nix verloren
– permanenter Gebrauch von LiveView mit hochgereckter Kamera ist unkollegial/asozial
– wenn Bandfotograf und Zugang zur Bühne möglich: Bitte nicht während der ersten drei Songs den Kollegen „da unten“ permament vor den Optiken herumturnen – danach ist’s dann nur noch für die zahlenden Fans unangenehm
Gruß, Alex