Darf ich das? Juristische Mythenforschung Teil 1


Über das, was man mit seiner Kamera anstellen und mit den Fotos, die man gemacht hat, darf gibt es unendlich viele Mythen. Auch durch ständige Wiederholung werden einige Dinge nicht wahr. Es ist an der Zeit, sich im Rahmen dieser langsam etwas ausufernden Artikelserie mit Recht auseinander zu setzen.

Disclaimer: Nein, ich bin kein Rechtsanwalt und das hier ist keine Rechtsberatung.

Darf ich überhaupt fotografieren?

Die Frage ist – zumindest wenn es um Konzerte geht – erfreulich einfach zu beantworten: Wer eine Akkreditierung hat, darf.

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Juristen sprechen bei einem Konzert von einer „geschlossenen“ und „privaten“ Veranstaltung bei der Veranstalter das Hausrecht hat. Das erlaubt ihm (auch) Fotoaufnahmen zu verbieten oder eben explizit zu erlauben. Als akkreditierter Fotograf ist es sogar so, dass man – wieder aus juristischer Sicht – einen Vertrag mit dem Veranstalter geschlossen hat, sich bestimmten Regeln unterwirft und im Gegenzug aber auch bestimmte Rechte eingeräumt bekommt.

Um es noch einmal klar betont zu haben: ohne Akkreditierung geht gar nichts. Wer ohne Akkreditierung fotografiert, riskiert, dass der Haussherr von seinem Recht gebrauch macht. Sprich: er riskiert mindestens einen Rauswurf. (Bevor die Lästerei los geht: ja, die meisten Veranstalter drücken beide Augen zu wenn ein zahlender Besucher mit seinem Handy oder seinen kleinen Kompaktkamera das ein oder andere Erinnerungsfoto schießt…) Werden solche unerlaubt aufgenommenen Fotos dann auch noch veröffentlicht, kann es durchaus unangenehm werden.

Ein Mythos, dem ich des Öfteren begegnet bin, ist der echaufierte Aufschrei (meist aus dem Munde eines Fotografens, der für ein Medium antritt, dessen Existenz nur ihm selbst bekannt ist), ein Fotograf habe das Recht zu fotografieren – schließlich sei das hier eine Demokratie und es gäbe so etwas wie Pressefreiheit! Nun, dem ist nicht so (und ich meine das mit dem Recht zu fotografieren!). Das liegt daran, dass ein Konzert – wie oben bereits erwähnt – eine geschlossene und private Veranstaltung ist. Wenn der Hausherr kein Einverständnis gib, gibt es auch keine Fotos.

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Wo und wann darf ich fotografieren?

Auch hier greift wieder die Sache mit dem Hausherren mit dem Ihr eine Vereinbarung habt. Der Hausherr hat das Recht, Euch zu sagen, wo und wann Ihr fotografieren dürft – und tut das meist auch. Wenn es heißt „drei Lieder, kein Blitz“, dann ist das so. Wenn die Ansage ist, dass danach Schluss ist und auch keine Fotos aus dem Publikum heraus gemacht werden dürfen, dann ist das so. Echt einfach, gell?

Es ist (auch mir) schon vorgekommen, dass Fotografen aufgefordert wurden, nach ihren Fotos die Kameras wegzubringen oder das Konzert zu verlassen.

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Tatsächlich ist es so, dass der Veranstalter, das Tourmanagement oder auch die Künstler durchaus weitgehende Vorgaben machen können. Gerade bei größeren Acts werden solche Dinge gerne in Verträgen schriftlich festgehalten. Auch wenn es keinen expliziten (schriftlichen) Vertrag gibt, ist viel von dem, was Euch an Vorgaben gemacht wird, im Zweifelsfall durch das Hausrecht gedeckt – in letzter Konsequenz kann der Hausherr (oder einer seiner Vertreter, z.B. die Security) schlichtweg darauf bestehen, dass Ihr sofort die Veranstaltung verlasst, wenn Ihr Euch nicht an eine Anweisung haltet. Das ist nicht schön, aber üblich.

Einschub: Vertag?!

Jap. Vertrag. Jede Absprache ist aus der Sicht der Juristen in letzter Konsequenz ein Vertrag. Dazu braucht es kein Papier. Es kann tatsächlich alles vertraglich geregelt werden, auch, dass Ihr nur bestimmte Posen aufnehmen dürft, dass nur eine bestimmte Anzahl an Bildern gemacht oder genutzt werden dürfen, dass sie nur eine gewisse Zeit öffentlich sichtbar sein dürfen, sogar, dass Ihr Eure Bilder zur Genehmigung vorlegen oder sogar die kompletten Nutzungsrechte dem Künstler (Management oder wem auch immer) kostenlos zu überlassen habt… größere Acts machen da gerne auch „echte“ Papierverträge.

Einige Dinge dienen der Absicherung der Künstler, andere Klauseln sind vielleicht sogar verständlich und einiges, was mir unter die Nase gehalten wurde, war schlichtweg inakzeptabel.

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Letztendlich müsst Ihr entscheiden, ob Ihr Euch im Zweifelsfall mit Eurer Unterschrift zu bestimmten Dingen verpflichtet. Weil es hier aber um meine Meinung, meinen Rat und auch um mein übergroßes Ego geht, kommt Ihr um das hier nicht herum: In dem Moment, in dem mir jemand vorschreiben will, was ich veröffentliche (indem z.B. die Bilder vorab zur Freigabe vorgelegt werden müssen), gibt es keine Fotos von mir. Wer glaubt, sich per Knebelvertrag kostenlose Nutzungsrechte erpressen zu können, bekommt keine Bilder. Punkt.

Ich stehe auf dem Standpunkt, dass das, was wir machen (teilweise künstlerische) Arbeit ist, die ein Mindestmaß an Respekt verdient hat – gerade von den Leuten, die nicht laut genug darüber jammern können, wie unfair die Welt mir ihrer Kunst umgeht. Insofern habe ich mich bei der ein oder anderen Veranstaltung schon geweigert, meine Unterschrift unter einen unverschämt formulierten Vertrag zu setzen.

Es wäre schön, wenn mehr Kollegen die Freiheit und den Mut besäßen, so zu handeln – wobei mir bewusst ist, dass ich als „Freier“ vielleicht weniger Zwängen unterliege…

Wen darf ich fotografieren?

Oh, auch das ist einfach: jeden. Zumindest solange Ihr überhaupt Fotografieren dürft und keine andere Ansage bekommen habt.

Der Mythos, man dürfe niemanden ohne seine Zustimmung fotografieren, schwirrt in erschreckend vielen Köpfen herum. Meist wird als Begründung etwas vom „Recht am eigenen Bild“ gemurmelt. Tatsächlich gibt es ein „Recht am eigenen Bild“ – zu finden im §22 des Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KunstUrhG oder KUG). Allerdings geht es in dieser Vorschrift um die Veröffentlichung von Fotos (und sonstigen Bildnissen); dazu kommen wir erst noch.

Anmerkung: Es ist gut zu wissen, dass man sich auf der sicheren Seite des Gesetzes befindet. Das bedeutet aber nicht, dass es klug ist oder von gutem Stil zeugt, in jedem Fall und unter allen Umständen auf sein Recht zu bestehen. Wenn ein Konzertbesucher (oder sonst wer) nicht fotografiert werden möchte, sollte man das respektieren.

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Darf ich meine Bilder veröffentlichen – z.B. auf facebook hochladen

Ahhhh, jetzt kommen die etwas interessanteren Fragen. Denn jetzt kommt die Sache mit dem Recht am Bild (Ihr erinnert Euch – §22 KUG) zum Einsatz. Wie gesagt, das Foto an sich ist nicht das Problem, problematisch wird es kann es werden, wenn Ihr Eure Werke (auf egal welche Weise!) einem größeren Publikum zugänglich macht – facebook ist da nur eine (wenn auch die schnellste) Methode, sich in Schwierigkeiten zu bringen.

Wenn es um die Künstler auf der Bühne geht, seid Ihr – als akkreditierte Fotografen – auf der sicheren Seite. Allein die Tatsache, dass Ihr akkreditiert seid, könnt Ihr als Einverständnis im Sinne des KUG zur Veröffentlichung Eurer Bilder nehmen. Ihr dürft darauf vertrauen, dass sich derjenige, der Euch auf  „die Liste“ gesetzt hat, sich um dieses Detail gekümmert hat.

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Edit: Ihr müsst allerdings darauf achten, wie und zu welchem Zweck Ihr akkreditiert wurdet. So ist es durchaus üblich, dass die Veröffentlichungsrechte zum Beispiel nur für das Medium gewährt wurden, für das Ihr tätig seid. (Auch alle anderen Einschränkungen muss man Euch mitteilen. Vorher. Mehr dazu später.)

Interessanter – zumindest für die rechtliche Betrachtung – sind die Fotos, die Ihr vom Geschehen abseits der Bühne aufnehmt. Einzelne Besucher (und ggf. auch Künstler, die sich unters Volk gemischt haben), fallen nun wirklich nicht unter die Generalvollmacht der Akkreditierung.

§22 KUG macht die Sache mit der Veröffentlichung am Einverständnis (oder an der Bezahlung) des Models fest. Zur Sicherheit sei erwähnt, dass im Ticketpreis ganz sicher nicht eine solche Bezahlung zu sehen ist, die es einem erlauben würde, Bilder der Künstler zu veröffentlichen!

Am einfachsten ist es, wenn Ihr einfach fragt. Außerdem kann ein solches Einverständnis auch durch konkludentes Verhalten (so nennen das die Juristen) erteilt werden – sprich: wenn man Euch auffordert ein Foto zu machen oder für Euch posiert, dürft Ihr von einem erteilten Einverständnis ausgehen. Wichtig im Zweifelsfall reicht es nicht aus, dass Euer Model Euch beim Aufnehmen des Fotos „bemerkt“ und nicht reagiert hat. Eine Einwilligung durch „Duldung“ gibt es nicht.

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Bei einem Bild, das Ihr von einem Künstler abseits der Bühne macht, kommt eventuell eine Ausnahme nach §23 KUG in Betracht. Die Rechtsprechung geht bei Künstlern regelmäßig davon aus, dass es sich bei Ihnen um Personen der Zeitgeschichte handelt – je Künstler, desto Zeitgeschichte; denn die in §23 Abs. 2 geforderte Interessenabwägung fällt eher zugusten der Veröffentlichung aus, je berühmter ein Künstler ist. Wobei ich dringend dazu raten möchte, keine Bilder zu machen, bei denen eine Interessenabwägung überhaupt notwendig ist – sprich: macht anständige Fotos und nicht solche, auf denen die abgebildete Person bloßgestellt oder herabgewürdigt wird! (Ihr wisst, wie ich das meine, gell?)

Wenn eine Person nur „Beiwerk“ – also erkennbar unwichtig – ist, braucht es auch kein Einverständnis. Allerdings spielen da eine Reihe von Faktoren eine Rolle, die diese Ausnahme durchaus… kompliziert machen.  Am ehesten dürfte in unserem Bereich der Fotografie das Panorama der Menge vor der Bühne darunter fallen – ich bin ansonsten recht zurückhaltend was Personenaufnahmen angeht.

Anmerkung: Einige Veranstalter (gerade Diskotheken) schreiben gerne in Ihre AGB rein, dass Bilder gemacht und veröffentlicht werden. Für unsereins mag das auf den ersten Blick befreiend wirken, doch ist man sich in juristischen Fachkreisen einig, dass eine solche Klausel unwirksam ist. (Siehe z.B. hier.)

Update: Die Sache mit den Veröffentlichungen ist in der Tat heikel und es geistern unendlich viele Mythen, Aberglaube und Fallen in der Weltgeschichte umher. Man kann z.B. hier anfangen, in die Untiefen des Rechts und der Rechtsprechung  einzutauchen… tatsächlich ist es so, dass es im Alltag eher nicht zu Problemen kommt. Es ist aber auch so, dass wenn Ihr Ärger habt, die Sache meist nicht so einfach ist, wie der Volksglaube meint. Sucht Euch jemanden, der sich mit Urheber- und Fotorecht auskennt. Und damit meine ich jemanden, der sich wirklich damit auskennt. Keinen Freund, der mal auf facebook einen Kommentar gelesen hat, keinen Anwalt für Familienrecht, sondern einen echten Fachanwalt. (Was auch bedeutet: fragt nicht mich!)

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tl;dr

  • Der Veranstalter hat Hausrecht. Er wird Ansagen machen an die Ihr Euch halten müsst.
  • Im Rahmen der Vorgaben dürft Ihr alles fotografieren. (Ob das immer klug ist, müsst Ihr entscheiden…)
  • Verträge können alles haarklein regeln: Durchlesen! Nicht alles unterschreiben!
  • Zur Veröffentlichung braucht Ihr das Einverständnis der abgebildeten Personen.
  • Bei den Bühnenbildern dürft Ihr von einem Einverständnis qua Akkreditierung ausgehen.
  • Alles andere kann heikel werden: fragt einen echten Fachmann

Es gibt noch viel mehr aus dem juristischen Mythenland zu besprechen… es wird also weiter gehen.