über Bildrauschen und die Kunst es zu beherrschen


Im Artikel über den Bildexport habe ich erwähnt, dass es hilfreich sein kann, ein Bild zu verkleinern um das Bildrauschen zu reduzieren. Ich hatte außerdem versprochen, das Thema ein wenig genauer zu untersuchen.

Vorbemerkung: Die Beispielbilder können sich im Bildschnitt minimal unterscheiden, ich habe (wie eigentlich immer) freihand gearbeitet – der Punkt, den die Bilder verdeutlichen sollen, sollte trotzdem klar werden und ich schwöre hoch und heilig, dass ich nicht an meinen Daten manipuliert habe um irgendeinen Effekt zu verstärken.

Und los!

Bildrauschen – technische Hintergrundinformationen

Dreht man die Lichtempfindlichkeit („ISO“) der Kamera hoch, rauscht das Bild. Wenn man das unreflektiert und ohne weiteres Hintergrundwissen als Tatsache hinnimmt, wird man der Technik immer hilflos ausgeliefert bleiben. Das Wissen darum, wann es wie warum zu Bildfehlern kommt, kann massiv dazu beitragen, technisch bessere Fotos zustande zu bekommen. Sprich: da müsst Ihr jetzt durch!

Trifft Licht auf einen Photosensor, gibt der ein Signal ab, das die Menge des einfallenden Lichts repräsentiert. Das Signal wird dadurch erzeugt, dass der Sensor einen Spannungsimpuls bestimmter Stärke erzeugt. Wird die Lichtempfindlichkeit erhöht, passiert einiges an technischer Magie. Vereinfacht gesagt, wird das Signal der Sensoren verstärkt. Leider ist es so, dass die Sensoren immer ein Grundsignal abgeben das bei guten Lichtverhältnissen idealerweise komplett vom „echten“ Signal überdeckt wird.

Ist es dunkel – trifft also wenig Licht auf die Sensoren – ist das Grundsignal „stärker“ als die tatsächlichen Informationen und wird dann auch noch von der Kamera verstärkt. Es rauscht. Erschwerend hinzu kommt, dass das Störsignal tendenziell zufällig und daher gerade auf Flächen, die eigentlich einheitlich aussehen sollten, besonders auffällig ist.

Die Sache mit dem Grundrauschen macht auch, dass, wenn man in der Bearbeitung seiner Bilder ein unterbelichtetes Bild aufhellt, das Rauschen deutlich stärker zutage tritt als bei einem Foto, das mit höherer Lichtempfindlichkeit korrekt belichtet wurde.

Wichtig ist also festzuhalten, dass Rauschen ein Effekt ist, der durch Abwesenheit von Licht hervorgerufen wird und gerade in den dunklen Bereichen eines Bildes am stärksten und auf einheitlichen Flächen besonders gut wahrnehmbar ist. Außerdem verstärkt man das Bildrauschen überproportional wenn man bei der Nachbearbeitung ein Bild aufhellt.

Bildrauschen bei der Aufnahme minimieren

Mit diesem Wissen kann man schon bei der Aufnahme dafür sorgen, später möglichst wenig Rauschen in seinen Daten zu haben. So trivial es klingen mag, die beste Methode, Rauschen zu verhindern, ist es, von Anfang an korrekt zu belichten! Das bedeutet im Zweifelsfall, mit der Lichtempfinflichkeit hoch zu gehen, auch wenn das zunächst der Intuition (höhere ISO = mehr Rauschen) zu widersprechen scheint.

Generell ist der „expose to the right“ (ettr) genannte Ansatz, seine Bilder gezielt moderat überzubelichten gerade bei ungünstigen Lichtverhältnissen sehr empfehlenswert. (Hintergund hier – leider auf englisch; ein recht gutes Video allerdings in einem völlig anderen fotografischen Kontext hier. Auch wenn der Kollege sich bei der Erklärung der Sensorempfindlichkeit ein wenig verrechnet ist diese Erklärung der Empfindlichkeitsverteilung extrem hilfreich!)

Rauschen_6400_full

Links ISO3200 um +1EV korrigiert, rechts ISO6400, jeweils 100%-Ansicht aus der Mitte des Bildes. Obwohl rein rechnerisch beide Bilder die selbe Lichtempfindlichkeit haben, ist das ISO6400er Bild klarer, zeigt mehr Details und weniger Rauschen.

Bildrauschen bei der Bearbeitung nicht verstärken

Dass man sich (mehr) Bildrauschen einhandelt, wenn man bei der Bearbeitung seiner Bilder ein Foto aufhellt, haben wir jetzt durch. Prinzipiell sollte Euch das zu diesem Zeitpunkt aber an nichts hindern, muss das Bild aufgehellt werden, dann tut es!

Seid allerdings mit einigen anderen Stellschrauben vorsichtig! Gerade „Klarheit“ und „Schärfe“ sind extrem gut darin, das in den Daten vorhandene Rauschen massiv zu verstärken. Vor allem mit dem Schärferegler schafft man es, das Rauschsignal so gut herauszuarbeiten, dass jeder Versuch, das wieder aus dem Foto rauszubekommen zum Scheitern verurteilt ist. Die Schärfenfunktion sucht lokale Kontraste (wie sie an Kanten auftreten) und verstärkt diese. Das Rauschen ist nun leider ein lokaler Kontrastunterschied den der Algorithmus gnadenlos aufstöbert und brav herausarbeitet. Schneller und eleganter kann man sich (zumindest was das Rauschen angeht) nicht selbst sabotieren!

Selbstverständlich müssen RAWs nachgeschärft werden. Wie gut, dass man dabei helfend eingreifen kann: In der Schärfenabteilung befindet sich auch der gerne übersehene Regler für die automatische Maskierung des Effekts. Mit der ALT-Taste schaltet man Lightroom in die Maskenvorschau, so dass man gut beurteilen kann, wo der Effekt wie stark angewandt wird. Stellt die Maskierung so ein, dass die echten Kanten nachgeschärft, Flächen und Rauschen aber nicht erfasst werden:

Rauschen_1

Hier werden definitiv zu große Bereiche des Bildes geschärft. Gut zu erkennen: das Rauschen wird verstärkt.

Rauschen_2

Besser. Die Kanten und Details werden geschärft, das Rauschen (fast) nicht.

Bildrauschen bei der Bearbeitung entfernen

Lightroom (und wohl auch sämtliche anderen Werkzeuge dieser Art) bietet einige Möglichkeiten, das Bildrauschen zu reduzieren. Die offensichtlichste Möglichkeit ist das „Entrauschen“ Werkzeug. Leider ist offensichtlich nicht immer gut und ein zu beherzter Griff kann hier mehr schaden als nutzen.

Alle Werkzeuge (auch dedizierte Tools wie NeatImage, Noise Buster und wie sie sonst noch so heißen mögen), die entrauschen wollen, machen das, indem sie auf mehr oder weniger magischem Weg versuchen, herauszufinden, was genau im Bild rauscht und dann entweder lokal den Kontrast verringern oder gleich mit brutaler Gewalt Pixel miteinander verrechnen. Bei leicht verrauschten Bildern funktioniert das auch erstaunlich gut.

Leider haben wir es bei Konzerten selten mit leichtem Rauschen zu tun, so dass die Gefahr besteht, es massiv zu übertreiben und die Filter ungebremst auf die Bilddaten loszulassen. Filter, die versprechen vollautomatisch zu arbeiten, sind mit starkem Rauschen auch gerne überfordert und greifen viel zu oft zu viel zu starken „Korrekturen“.

Das Ergebnis einer solch brachialen Behandlung ist dann ein Bild, das mich an den Plastik-Look von billigen TV-Zeitschriften denken lässt. Es spricht wenig dagegen, ein wenig mit einem solchen Filter zu arbeiten, man wird es aber niemals schaffen, ein ernsthaft verrauschtes Bild richtig „sauber“ zu bekommen!

2014-05-31_20.15.51-rauschen

Zwischenfazit: „Entrauschen“ zerstört manchmal meist mehr als es nutzt. Wenn ich so was auf meine (Konzert-)Fotos loslasse, dann im Bereich von 10-15%.

Was also tun?

Wie gut, dass wir Konzerte fotografieren und wissen, dass das Rauschen in den dunklen Bildanteilen überproportional präsent ist! In vielen Fällen wird es so sein, dass Ihr um Euer eigentliches Motiv herum gar kein oder nur wenig Licht habt, das Motiv selbst aber relativ viel Licht abbekommen hat. Das kann man sich zunutze machen!

Beschneidet den Schwarzwert deutlich und setzt vielleicht noch eine Vignette. So werdet Ihr erfreulich viel von dem Störsignal in den dunklen Bereichen los, erhöht als kleinen Bonus auch noch den Gesamtkontrast des Bildes und erziehlt in den allermeisten Fällen ein signifikant besseres Ergebnis, als es ein Filter zustande bekäme.

reallive

100% Aussschnitt aus dem Bildbeispiel. ISO2200, Schwarz -50, Klarheit +28, Schärfen 55, Maskieren 55, keine Rauschreduzierung – et voilà da rauscht auch so (fast) nichts!
(Vielleicht habe ich es mit der Schärfung und/oder Klarheit minimal übertrieben – was man an den Haaren recht gut erkennen kann.)

Bildrauschen beim Export verringern

Anlass für diesen länglichen Artikel war ein Tipp, den ich ohne große Recherche im vorigen Artikel gegeben habe, nämlich, dass man dem Rauschen zu Leibe rücken kann, indem man beim Export die Auflösung reduziert. Nachdem ich jetzt ein wenig herumexperimentiert habe, freut es mich schon ein wenig, dass das, was ich mehr oder weniger unreflektiert aus dem Bauch heraus gemacht habe, einem Praxistest durchaus stand hält:

Nimmt man ein moderat verrauschtes Bild (also etwas, was eine D800 bei ISO3200 produziert), entrauscht es nicht in Software und reduziert die Auflösung ein wenig, wird man die groben Störungen recht gut los.  Selbst bei einem stark gestörten Bild (ISO6400 oder noch mehr ISO3200 +1EV) lässt sich recht einfach ein durchaus brauch- und druckbares Endergebnis erzielen.

Wenn man weiß, dass 5MP schon für qualitativ hochwertige Ausbelichtungen von mindestens A4 Größe ausreichen (und eigentlich auch für viel mehr!), lohnt es sich, darüber nachzudenken, seine Bilder über die Ausgabegröße zu „entrauschen“. Das Ergebnis finde ich deutlich angenehmer, detailreicher und ganz allgemein besser als der Ansatz, die Daten über diverse Filter glatt zu rechnen.

Anmerkung: Für die 5MP Aussage habe ich in diversen Diskussionsrunden schon gewaltige verbale Prügel bezogen. Ich stehe zu der Aussage. Eines meiner Lieblingsbilder habe ich als Geschenk mit einer Seitenlänge von 120 x 80 cm  ausbelichten lassen. Der Theorie, mit der ich verprügelt wurde, zufolge, sollte man dafür Daten in einer Auflösung von mindestens 75 MP haben… wenn ich mir das Ergebnis anschaue, das ich mit meiner exakt 3435 x 2285 Bildpunkte – also 7,8 MP – großen Datei erzielt habe, fühle ich mich in meiner Auffassung doch sehr bestätigt.

tl;dr

  • Vermeidet Bildrauschen schon beim Fotografieren: ettr!
  • Bei der Nachbearbeitung unbedingt darauf achten, das Rauschen nicht zu verstärken: beim Schärfen maskieren!
  • Filter taugen nur bedingt zum Entrauschen, übertreibt es nicht.
  • Beim Export die Bildgröße reduzieren vermindert das Bildrauschen.
  • Ihr werdet ein verrauschtes Bild niemals vollkommen „sauber“ bekommen.

Persönliche Anmerkung

Rauschen scheint in einigen Kreisen so etwas wie der heilige Gral der Bildqualität zu sein. Ich verstehe das nicht. Zumindest dann nicht, wenn es um Reportagefotografie – und nichts anderes ist Konzertfotografie in letzter Konsequenz – geht. Ein wenig Rauschen gehört (für mich) zum Charakter eines Live-Fotos. Darum versuche ich erst gar nicht, meine Bilder „glatt“ zu bekommen. In einigen Fällen rechne ich sogar Rauschen ins Bild hinein…