Im letzten Artikel konnte ich es nicht bei mir halten und musste mich ein wenig über Technikgläubigkeit auslassen und über Situationen, in denen man die ganze teure Technik wirklich braucht. Es hat wenig mit Überheblichkeit zu tun, wenn ich mir jetzt ein wenig Luft und da weiter mache, wo es gestern aufgehört hat: bei den Leuten, die ihre und die Grenzen ihrer Ausrüstung nicht kennen.
Wir Fotografenvolk im Graben haben die Aufgabe, in der uns zugestandenen Zeit den Auftritt der Künstler zu dokumentieren. Einige von uns werden vom Künstler direkt eingeladen, andere vom Veranstalter oder einschlägigen Magazinen. Es soll sogar schon vorgekommen sein, dass einige wenige glückliche Kollegen für ihre Arbeit bezahlt wurden. Wie auch immer man nun genau in diesen Graben geraten ist, man hat eines gemeinsam: es geht darum, gute Fotos zu machen. Es hilft sicherlich, wenn man die Musik, die da gespielt wird, mag – zumindest ich mache dann die besseren Bilder.
In den Gräben, in denen ich Arbeiten durfte, herrschte durchweg eine sehr angenehme, kollegiale Stimmung. Man kennt sich, man grüßt sich, man trinkt nachher ein wenig was zusammen. Vor allem ist es so, dass man sich gegenseitig respektiert und unterstützt. Das bedeutet, man macht höflich Platz, wenn der Kollege die Position wechselt, bewegt sich selbst rücksichtsvoll, bemüht sich also ganz allgemein darum, sich bei der Arbeit nicht in den Füßen herumzustehen – etwas, das in der Enge eines Fotograbens durchaus nicht metaphorisch gemeint ist.
So sollte das sein. Und alle Grabenveteranen, die ich kenne, verhalten sich so. Das ist sehr angenehm. Und eigentlich sollte es selbstverständlich sein, schließlich machen wir alle „nur“ unsere Arbeit. Das Leben könnte so so schön sein…
…und dann kam es (mal wieder) zu einem Moment der Schockstarre.
Letzten Donnerstag war ich zum Heidenfest in der Garage Saarbrücken geladen. Neben einiger alter Freunde, geschätzten Kollegen und bekannten Gesichtern versammelte sich auch eine nicht unerhebliche Anzahl unbekannter Gestalten in der Nähe des Grabens. Naiv, wie ich bin, habe ich mir nichts Böses dabei gedacht, bestand doch die Ausrüstung der Damen und Herren aus einer betagten Einsteigerkamera mit Superzoom-Objektiv, zwei ältere Kompaktkameras und einem Mobiltelefon. Also aus genau der Technik, mit dem man im Fotograben (gerade bei einer Metal-Veranstaltung) wenig bis gar nichts erreichen kann.
Warum ich erstaunt war, dass diese (offensichtlich sehr aufgeregten) Menschen zusammen mit uns den Graben enterten, kann ich nicht mehr sagen, ich hätte das durchaus vorhersehen können.
Auch was dann passierte, sollte mich eigentlich nicht mehr so aus der Bahn werfen. Zunächst kam es zu einem Wettbewerb, wer mit Rucksack auf dem Rücken und/oder Handtasche unterm Arm den Graben am geschicktesten zu sperren in der Lage wäre. Mein Favorit war die Dame mit dem beeindruckenden Rucksack und dem Superzoom, die beim Headliner drei Schritte hinter dem Eingang zum Graben stehen blieb um erst mal die Frontlinse zu polieren. Immerhin 4 Kollegen wurden so an der Arbeit gehindert. Putzig war aber auch die junge Dame, deren Kompaktkamera-Zoom defekt zu sein schien, so dass sie mit dem Rücken zum Wellenbrecher stehend die Kamera mit weit ausgestreckten Armen dem Sänger ins Gesicht strecken musste und so sehr effizient die linke von der rechten Hälfte des Grabens zu teilen verstand.
Diese Dame war es auch, die meiner geistigen Gesundheit an diesem Abend den Rest gab. Nach dem ersten Lied des Co-Headliners legte sie die Kamera vor sich auf die Bühne und fing – sehr ausdrucksstark mit erhobenen Armen und weit ausholenden Bewegungen – an zu tanzen.
Es spricht nichts dagegen, ein Konzert zu genießen. Im Gegenteil. Ich finde das echt toll und es freut mich grundsätzlich immer, wenn es anderen Menschen gut geht. Ehrlich. Trotzdem hätte ich in diesem Moment beinahe einen Mord begangen.
Unerfahrene Kollegen haben Nachsicht verdient, denn jeder von uns hat mal klein angefangen und war dankbar für jeden Tipp, den er von alten Hasen bekommen konnte. Solch asoziales Verhalten jedoch – das mir leider immer öfter begegnet – hat nichts mehr damit zu tun, dass man sich noch nicht in den Gepflogenheiten auskennt oder einfach unsicher ist. Das ist einfach nur ignorant und unverschämt. Manchmal erkennt man eben doch an der Qualität der Ausrüstung, was einen erwartet. Und das ist auf einer ganz bestimmten Ebene sehr schade.
So. Das musste raus. Und ich habe immer noch nichts über die Fotos vom Heidenfest gesagt… Nun: es war laut, dunkel, ISO 3200 sind toll, live ist Musik am besten, ich mag Humppa-Metal und Korpiklaani. (Hey, die, die öfter mal hier reinschauen, überrascht das doch nicht wirklich, oder? War doch gut, dass ich ein wenig Dampf abgelassen habe anstatt immer wieder das selbe über Musik zu schreiben.)
2 Antworten zu „Grabenvolk… und die Anderen“
Jeder der regelmäßig in Fotogräben steht, kennt das.
Was hilft? Kommunikation. Ansprechen, und erst freundlich, dann mit Nachdruck darum bitten, das Verhalten zu ändern. Wenn das nicht hilft, gibt es immer noch die Security die in der Regel sehr hilfsbereit ist.
Denn die Tätigkeit der Fotografen im Bühnengraben ist klar definiert und tanzen und andere Leute bei der Arbeit behindern gehören definitiv nicht dazu.
Das mit dem Ansprechen ist da ob der Lautstärke tatsächlich ein wenig schwierig. Ich bemühe mich, höflich deutlich zu machen, dass man/frau im Weg steht oder sonst wie hinderlich ist.
Security hat bisher nicht geholfen. Meiner Erfahrung nach haben die die Anweisung, jeden mit Pass reinzulassen. Selbst wenn ein Vollprofi dann mit Blitz herumfuhrwerkt, passiert nur in den seltensten Fällen etwas.