Dankenswerter Weise war hier in letzter Zeit so viel los, dass ich nicht dazu gekommen bin, Euch mit meinem Geschreibsel zu belästigen. Jetzt ist es mir ein dringendes Bedürfnis, mir die Zeit zu nehmen und eine Geschichte zu erzählen. Hier steht “Fotos und ihre Geschichten†– aber heute möchte ich einfach eine Geschichte erzählen und ein paar Fotos zeigen, die nicht direkt etwas mit der Geschichte zu tun haben, weil sie neu sind und mir gut gefallen, packe ich sie dazu. Außerdem wird es ohne Bilder zu langweilig.
Ich bewege mich, wenn ich Konzertfotografie betreibe, im Umfeld der Musikindustrie, die größten Wert auf ihre Urheberrechte legt. Da werden gerne mal Abmahnungen geschrieben und Menschen mit absurd hohen Kostennoten konfrontiert. Anwälte wählen den Gerichtsstand nach prozesstaktischen Gründen, legen willkürlich hohe Streitwerte fest, um einen Beschuldigten einen – immer noch unverschämt hohen – „Vergleich“ aufzunötigen. Auf facebook habe ich schon mehrere Künstler wimmern und schluchzen hören, dass sich Leute gar nicht klar machen, wie schlimm schlecht es um die Kultur bestellt ist, wie viel Arbeit hinter so einem Lied steckt und wie geizig es ist, dafür nicht bezahlen zu wollen.
Genau diese Leute stehlen (wie ich feststellen musste durchaus öfter) das geistige Eigentum anderer. Und sind sich nicht zu fein dafür, absurdeste Schutzbehauptungen aufzustellen. Mir drängt sich der Eindruck auf, dass bestimmte Maßstäbe nur für die Anderen gelten und dann auch nur, wenn es gerade passt. Das, was ich gleich erzähle, ist genau so passiert. Und gibt nicht nur mir zu denken.
Genug der Vorrede!
Wie es bei mir öfter vorkommt, war ich bei einem Konzert als freier Fotograf über den Veranstalter akkreditiert. Das bedeutet, ich habe keinen direkten Auftrag, bekomme (erst mal) kein Geld, bin aber ganz offiziell als Fotograf und arbeitender Teil der Bevölkerung unterwegs, so dass ich die Privilegien meines Standes – mit großer Ausrüstung und im Fotograben arbeiten zu dürfen – in Anspruch nehmen kann. Die Fotos sende ich dann an Bands und Veranstalter und biete sie (zu einem durchaus fairen Preis) zum Kauf an. Wir mach(t)en es sogar so, dass wir einige Bilder verschenk(t)en um ein wenig Aufmerksamkeit zu wecken. Vor allem aber (und das ist wichtig anzumerken) bin ich offiziell da und darf mit höchstem Segen meiner Profession nachgehen.
Das Konzert war soweit ganz nett, der Lichtmeister nicht über die Maßen gehässig und ich mit meiner Beute durchaus zufrieden.
Kurze Zeit später stellte ich eine Auswahl der Fotos auf unserer facebook-Seite aus. Ich war gerade dabei, Fotopakete für die Bands und den Veranstalter zusammenzustellen, als ich gleich von mehreren Freunden angeschrieben wurde: ob ich wüsste, dass meine Fotos ohne jeden Herkunftsnachweis bei einer Band als deren eigene Bilder online wären. Zeitgleich mit der dritten Nachricht dieser Art schlug auch noch eine Nachricht von besagter Band auf, die gerne ein „.ZIP mit den fehlenden Bildern an folgende E-Mail Adresse“ gesendet bekommen wollte.
Ich habe mit bewusst einen Kaffee und eine Pfeife lang Zeit genommen, bis ich meine Antwort zu formulieren begann. Darin legte ich in durchaus höflichen Worten dar, dass ich es gar nicht toll finde, wenn man einfach so meine Fotos herunterlädt und dann so tut, als seien sie eigene Werke. Auch wies ich darauf hin, dass es ja durchaus eine „teilen“-Funktion gibt, die es einem erlaubt, Fotos auf der eigenen Seite erscheinen zu lassen, die dann aber mit einem korrekten Herkunftsnachweis versehen sind. Ich deutete an, dass gerade kunstschaffende und speziell Musiker mit der Thematik Urheberrecht auskennen und dementsprechend sensibel mit so etwas umgehen sollten. Unter Hinweis darauf, dass ich recht wenig von bösartigen Aktionen wie Rechnungen und kostenpflichtigen Abmahnungen halte, bat ich darum, meine Fotos umgehend von den entsprechenden Seiten zu entfernen. Alles wohlgemerkt sehr höflich.
Dauerte es keine 5 Minuten meine Bilder zu stehlen, kam dann doch nach nur 5 Stunden die Antwort des Tourmanagers der Band. Er stellte das Ganze als Versehen dar, ein Missverständnis, dass ja mal vorkommen könne. Es wäre ja keine Absicht gewesen.
Soweit, so… unglaubwürdig. Aber bis dahin bin ich solche Ausreden ja durchaus gewöhnt. Dem Manager einer Band, die durchaus im Profilager spielt, kann ich nicht glauben, dass er (oder seine Schützlinge) keine Ahnung von geistigem Eigentum haben! Aber sei’s drum.
Viel schöner fand ich, dass sich besagter Manager dazu veranlasst sah, noch ein klein wenig zurück zu beißen und behauptete, ich wäre meiner Arbeit ja ohne Erlaubnis nachgegangen. Er habe mich nicht akkreditiert. Weil die Bilder aber „professionell aussähen“ wolle er „nicht kleinlich“ sein.
Genau in diesem Moment war es bei mir mit der Nachsicht schlagartig vorbei.
Das Ende der Geschichte und der Einstieg in eine etwas tiefere Betrachtung der Sache mit dem geistigen Eigentum kam dann auch recht schnell. Selbstverständlich verhalte ich mich weiterhin professionell, schließlich ist meine Arbeit professionell… nach einem deutlichen Hinweis darauf, dass ich sehr wohl akkreditiert war überlies ich dem etwas zu sehr von seiner Wichtigkeit überzeugten Mann die Bilder seiner Schützlinge zur Ansicht, denn solch dreistes Verhalten auch noch mit kostenlosen Fotos zu belohnen erschien mir dann doch unpassend. Der restlichen Konversation konnte ich leicht entnehmen, dass er überhaupt nicht verstanden hat verstehen wollte, was er falsch gemacht hat und worum es mir eigentlich ging.
Diese Geschichte (zusammen mit ein paar anderen, nicht ganz so dreisten Fällen) hat mich dazu gebracht, ein wenig nachzudenken. Ich gebe offen zu, dass ich dem Urheberrecht und seinen kranken Auswüchsen durchaus kritisch gegenüber stehe. Zum Einen lebe ich davon, zum Anderen sehe ich, wie einfach es ist, damit ungestraft Schindluder zu treiben. Es wäre zu schön, wenn dem Missbrauch, der da getrieben wird, nachhaltig Einhalt geboten würde und der ein oder andere Vertreter derer, die da am lautesten jammern, innehalten und in sich gehen würde.
Insofern ist es vielleicht auch an der Zeit, dass das Urheberrecht modernen Gegebenheiten und den Tatsachen, die die Technik geschaffen hat, angepasst wird.
Zumindest eine direkte Konsequenz habe ich aus der Geschichte gezogen: ab jetzt trägt alles was hier die Rechner verlässt ein Wasserzeichen.
p.S.: Alle Fotos sind vom X-Mas Hexentanz. Ich muss unbedingt noch die Band Herzparasit erwähnen, die ich dort kennen gelernt habe. Hört rein, die Musik ist echt gut!
3 Antworten zu „Zweierlei Maß“
„Wie es bei mir öfter vorkommt, war ich bei einem Konzert als freier Fotograf über den Veranstalter akkreditiert. Das bedeutet, ich habe keinen direkten Auftrag, bekomme (erst mal) kein Geld, bin aber ganz offiziell als Fotograf und arbeitender Teil der Bevölkerung unterwegs, so dass ich die Privilegien meines Standes – mit großer Ausrüstung und im Fotograben arbeiten zu dürfen – in Anspruch nehmen kann. Die Fotos sende ich dann an Bands und Veranstalter und biete sie (zu einem durchaus fairen Preis) zum Kauf an. Wir mach(t)en es sogar so, dass wir einige Bilder verschenk(t)en um ein wenig Aufmerksamkeit zu wecken. Vor allem aber (und das ist wichtig anzumerken) bin ich offiziell da und darf mit höchstem Segen meiner Profession nachgehen.“
Wirklich sehr professionell !
Und wenn ich schon „Fotograben“ lesen, da weiß man sofort, mit was für Hobbyknipsern man es zu tun hat.
Aber vielleicht kannst Du einen ja mal aufklären, warum eine Band oder ein Veranstalter Dich akkreditieren sollen und was die davon haben, anschließend noch die Fotos zu kaufen?
Hallo Jens,
ich weiss jetzt nicht genau, was Dir über die Leber gelaufen ist, aber der abgetrennte Bereich zwischen Bühne und Publikum wird nun mal so genannt.
Ansonsten: Ja, ich (bzw. wir) werde/n regelmäßig akkreditiert und gebucht. Offensichtlich machen wir etwas richtig und unsere Arbeit überzeugt. Ich halte nichts davon, zu kuschen. Gerade jemandem gegenüber, der sich benimmt wie die Axt im Wald. Noch weniger mag ich es, bedroht und beleidigt zu werden. Am meisten stört mich jedoch, dass es offensichtlich einige Menschen gibt, die meinen, sie könnten sich alles erlauben und Regeln würden nur für „die anderen“ gelten.
In letzter Zeit ist mir das ein, zwei Mal zu oft aufgefallen. Und davon erzähle ich hier. Sollte das bestimmten Leuten nicht passen, muss ich damit leben.
Hallo Jens,
ich gehe mal davon aus – so wie du dich hier aufspielst – dass du wirklich Ahnung von der Materie hast. Zeig uns doch mal ein paar deiner Arbeiten und/oder dein Portfolio!